NAUS zum 1.Mai – Redebeiträge zum Kampftag der Lohnabhängigen

Die folgenden drei Redebeiträge wurden auf der Kundgebung am Albertplatz in Dresden anlässlich des 1. Mai gehalten, zu der das Anarchistische Netzwerk Dresden aufgerufen hatte.

 

Pharmapatente, Impfstoff, Ausgangssperre – die Linke und der Staat

„Nun auch von links!“ – So überschrieb die Morgenpost am vergangenen Sonntag einen Artikel über eine linke Demo gegen die Ausgangssperre.
Darin konnte man lesen, am Freitagabend hätten erstmals(!) Dresdner Antifa-Gruppen gegen den staatlichen Umgang mit der Corona-Krise demonstriert, nachdem sich die politische Linke vormals darauf beschränkt hätte, gegen rechte Coronaleugner:innen zu demonstrieren und staatliche Maßnahmen in Schutz zu nehmen.
So ignorant diese Behauptung auch sein mag und so sehr sie politische Aktionen des letzten Jahres negiert, etwa politische Einkaufsschlangen, Auseinandersetzungen mit Wohnungslosigkeit, Ausgangssperren und so weiter – es steckt ein Funken Wahrheit in dieser Fehlanalyse, den wir selbstkritisch anerkennen müssen:
Moralgeladene Gegendemos zu der sog. „Querdenken“-Strömung einerseits und das Anrufen des Staates um „härtere Maßnahmen“ andererseits, zeugt von der linken Ideenlosigkeit im Umgang mit der Corona-Pandemie. Nun ist man also einmal in Black-Bloc-Ästhetik durch das Viertel gezogen: „Impfstoff für alle, sonst gibts Krawalle“ – bei der MoPo hat das offenbar viel Aufmerksamkeit erregt, militante Selbstvergewisserung inklusive – als Analyse oder gar Programm aber taugt das nicht.

Was „für alle“ in Europa bedeutet, zeigt, wie eigentlich immer, der Blick über dessen Grenzen. Im aktuellen Fall ist das der Blick nach Indien, wo grade genau das Massensterben eingesetzt hat, vor dem kritische Stimmen seit Beginn der Pandemie gewarnt haben. Tausende Menschen ersticken in den notdürftig improvisierten Lazaretten, noch mehr sterben schon auf dem Weg dorthin, ihre Leichen werden in den Straßen verbrannt. Alles das passiert nicht, obwohl in Europa & Nordamerika die medizinische Versorgung noch einigermaßen funktioniert, sondern deswegen!
Hier offenbart sich der grundlegende Trugschluss der Kritik an den staatlichen Maßnahmen: 80.000 Tote in Deutschland und Millionen mehr auf der ganzen Welt, Vereinzelung, Verarmung … Alle diese Folgen zeigen nicht das „Versagens des Staates“ – sie zeigen sein Funktionieren.

Die Konjunktur hat sich längst erholt, die Aktienmärkte sind auf einem Allzeithoch und die großen Privatvermögen sind in der so genannten „Krise“ nicht kleiner geworden, sondern ins Unermessliche gewachsen. Die Einsamkeit, die sozialen Härten, die vielen Toten, auch die, die noch kommen, sind längst eingepreist. „Die Gesellschaft“ versagt nicht, sie tut genau das, was sie, ihrer kapitalistischen Logik nach, tun soll: Sie verteilt um, von unten nach oben, sie hält die Produktionsverhältnisse aufrecht, sie erniedrigt und sie knechtet.

Ein Beispiel:
Es wird grade an vielen Stellen, und das völlig zu Recht, gefordert, die Patente an den Impfstoffen gegen COVID-19 freizugeben, die Unternehmen wie Pfizer, Moderna, AstraZenecca usw. produzieren.
Das passiert aus zweierlei Gründen nicht. Zum einen sind die Patente wichtige Instrumente zur Ausnutzung der nationalistischen Impfstoffkonkurrenz. Ungleiche Verteilung von Impfstoffen heißt eben auch, dass in Europa und in Nordamerika nur dann schnell geimpft werden kann, wenn sich ärmere Länder hinten anstellen. Zum anderen wäre mit der Patentfreigabe alleine noch nicht allzu viel getan. Impfstoffe, auch solche, die quasi open-source sind, müssen produziert, gelagert, verteilt, verabreicht werden. Jeder einzelne Schritt in dieser Kette ist eine Warenbeziehung. Um jeden einzelnen davon wird die Pharmaindustrie mit jedem Machtinstrument, das ihr zur Verfügung steht, kämpfen, und davon hat sie viele.

In einer Welt, in der alles Ware ist, ist die Gesundheit eben auch eine. Um daran etwas zu ändern, reicht es nicht, den Konzernen ihr patentiertes Wissen streitig zu machen. Die Gesundheitsversorgung muss dem Profitmotiv entzogen werden, nicht vereinzelt, sondern vollständig. Dazu gehören nicht nur Oligopole wie Pfizer, AstraZenecca und co. sondern auch Apotheken, die Masken für das zehnfache ihres Wertes verkaufen und ja, auch die niedergelassenen Ärzt:innen.
In Deutschland an Corona zu sterben, ist 50-70% wahrscheinlicher, wenn man arm ist. Das war schon so, bevor die großen Impfkampagnen gestartet sind und wird auch weiterhin so bleiben. Weil sich Berufe bei Sicherheitsunternehmen, in Lieferdiensten und in der Produktion nicht einfach so ins Homeoffice verlegen lassen. Weil sie öfter Vorerkrankungen haben, weil ihre Lohnarbeit sie zu Grunde richtet, weil sie keine Kapazität für Selfcare haben und weil es ihren Arbeitgebern und diesem Scheiß-Staat eben egal ist, ob sie die Verwertung ihrer Arbeitskraft überleben oder nicht. Um daran etwas zu ändern, müssen die Verhältnisse geändert werden. Will sagen: muss der bürgerliche Staat zerschlagen und das Kapital enteignet werden!

Traurigerweise ist an dieser Stelle der rhetorische Höhepunkt meines Beitrages überschritten…
Hier schließt sich nämlich ein realistischer Blick in die Runde an und die Erkenntnis, dass wir als Bewegung nicht einmal in der Nähe einer solchen tiefgreifenden Veränderung sind, dass wir diese Verhältnisse zu verändern gerade nicht im Stande sind, im Kleinen nicht und im Großen schon gar nicht.
Dass weite Teile der Lohnabhängigen kein antagonistisches Verhältnis zu ihren Arbeitgebern haben, sondern das eines Stockholmsyndroms, die Gewerkschaften und ihre völkischen „Sozialpartnerschaften“ eingeschlossen (Anmerk.: ausdrücklich ausnehmen wollen wir hier Basisgewerkschaften, wie die FAU Dresden) und das viele, gerade in dieser Stadt, sehr viel näher dran sind, auch noch das letzte bisschen Rücksicht und Empathie über den Haufen zu werfen und in die sog. „Triage“, dem tödlichen Aussortieren der vermeintlich Schwachen, zur Staatsraison zu machen, also in die Fußstapfen ihrer Großeltern zu treten.

Das Mittel, das uns also bleibt, ist die Subversion. Die Verweigerung und das Nicht-Mitmachen. Die ZeroCovid-Kampagne mag ihrem Charakter nach eher ein Staatsprogramm sein, als eine linke Position. Aber wenn die Süddeutsche Zeitung und IFO-Institut diese schon nach wenigen Tagen mit viel Theater als linksextremistisch denunzieren, dann zeigt das ja auch, dass eine gewisse Angst vor selbst einer solch milden Verzögerung der Marktmaschinerie zu herrschen scheint.
Unsere Aufgabe muss es also sein, den Finger in die Wunde zu legen und die Behauptung von der Alternativlosigkeit als das zu enttarnen, was sie ist: Eine Lüge!
Es muss eine präzise Verbindung gezogen werden, zwischen den herrschenden Verhältnissen und ihren beschissenen Auswirkungen. Zwischen dem Profitmotiv und dem knappen Impfstoff, zwischen der Erniedrigung und Erpressung in der Produktion und dem vermeidbaren Tod. Zehntausende in Deutschland und Millionen auf der ganzen Welt könnten heute noch am Leben sein, wären sie nicht gezwungen gewesen, sich in übervolle Bahnen zu drängen und zu ihren ungesicherten Arbeitsplätzen zu fahren.

Wir können und wir sollten, dafür sorgen, dass so viele von deren Hinterbliebenen wie möglich das nicht vergessen. Wir dürfen den Verhältnissen und ihren Verwalter:innen die Menschen, die wir an sie verloren haben und noch verlieren, nicht verzeihen. Ich möchte kotzen, bei jeder Gedenkfeier und jedem Kerzenritual, das heute schon von Gestalten wie MP Kretschmar und Bundespräsident Steinmeyer inszeniert wird.
Wenn es uns gelingt, den Hass auf diese mörderischen Verhältnisse zu schüren und klarzumachen, dass alle diese Verhältnisse umgeworfen werden müssen, dann können wir vielleicht wieder hoffen, zu einer handlungsfähigen Bewegung zu gelangen. Dann müsste man nicht hoffen, zur unerträglichen Normalität zurückzukehren, sondern könnte den vollmundigen Parolen von „sonst gibt’s Krawalle“ auch Taten folgen lassen, nicht nur des Impfstoffs wegen.
Bis dahin kann man sich nur wünschen, dass die systemrelevanten „Held:innen des Alltags“, die weiter zur lebensgefährlichen Arbeit gezwungen sind, so oft wie möglich krank machen, so langsam arbeiten, wie sie können und so oft sie damit durchkommen, ihr Werkzeug in die Maschine fallen lassen.

Ökonomie und Vergesellschaftung

Über ein Jahr ist es her, dass die ersten Corona-Infektionen in Deutschland festgestellt wurden. Der Staat handelte und die Folgen dieser Handlungen griffen sofort in alle unsere Lebensbereiche ein. Aus einer potentiell tödlichen Bedrohung für unsere Gesundheit und das Leben wurde eine „Krise“.
Nicht all zu lang ist die letzte große Krise der westlichen Welt her – die Finanz-/Bankenkrise 2007/8.
Angeblich seien Krisen im Kapitalismus besondere Ausnahmesituationen. Doch schon alleine durch die Häufigkeit und zunehmende Intensität wird klar, dass viel mehr der Kapitalismus als Ganzes krisenhaft ist. Durch seine Logik stets Gewinne zu erwirtschaften und zu wachsen, kollabiert dieses System regelmäßig. Immer auf dem Rücken derer, die die tatsächliche Arbeit hinter den Gewinnen leisten – jene, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen und dann einen minimalen Bruchteil von diesen Gewinnen als Lohn oder Gehalt bekommen.
Doch, wie auch in der aktuellsten Krise, leiden nicht nur Arbeiter*innen & Angestellte mehr, sondern auch immer die, die von der Brutalität und Ungerechtigkeit des Systems sowieso schon mit voller Härte getroffen werden. Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen, die rassifiziert werden, Jüd*innen, Frauen, queere Menschen, Menschen ohne sicheren Aufenthaltstitel, Menschen ohne Erwerbsarbeit, Menschen ohne Wohnung oder Obdach, und viele andere.
Krisen verstärken die Effekte von Unterdrückung, Ausgrenzung und Benachteiligung, die im System sowieso existieren, nur noch mehr.

Man mag annehmen, dass der Staat nach seinem Prinzip der Sozialstaatlichkeit eben diese Ungerechtigkeit korrigieren sollte. Doch dies tut er nicht, im Gegenteil, er verschlimmert sie.
Würde es nach den Bedürfnissen aller gehen und Gleichberechtigung eine zentrale Maxime sein, so würden z.B. alle Menschen Zugang zu Krankenversorgung – einschließlich Impfung – haben, alle Menschen hätten eine Wohnung, ohne Angst vor der nächsten Fälligkeit der Miete zu haben, alle Menschen hätten genug essen, und so weiter und so weiter.

Statt einem dieser Bedürfnisse nur ansatzweise nachzukommen, sorgt der Staat dafür, dass wir weiterhin dazu gezwungen werden in Industriehallen & Großraumbüros gemeinsam mit vielen anderen Gewinne für einige wenige zu erwirtschaften – immer mit der Angst uns zu infizieren. Wehe jenem, der danach mit 2 Freund*innen gleichzeitig eine Limo trinken möchte. Der Staat beschränkt seit Monaten unsere Freizeit, unsere Phasen der Erholung, die wir jetzt gerade vermutlich alle dringender brauchen als sowieso schon. Der Staat dient jenen, die Gewinne erwirtschaften, der Staat dient dem Kapitalismus und er wird uns immer wieder an ihn verkaufen, er wird uns immer mit seiner Repression überschütten, der Staat gehorcht der Logik des Kapitalismus, so wie wir es alle tun müssen.

Grotesk zu denken, dass man mit Hilfe einer großen Medienkampagne daran etwas ändern könne.
Der Staat wird die Wirtschaft nicht einschränken. Großraumbüros und Industrie bleiben offen, egal wie oft der Hashtag #ZeroCovid trendet.
Es ist klar, dass die Forderungen nicht umgesetzt werden.
Aber was hat es mit den Forderungen auf sich? – Inhalt dieser vermeintlich linken Kampagne ist, den Staat darum zu bitten, noch autoritärer durchzugreifen.
Ist das die linke Idee von solidarischen Kirsenlösungen? Menschen zu sanktionieren, in Knäste zu stecken, zu Hause einzusperren, ihnen zu verbieten sich mit Freund*innen zu treffen?

Das ist nicht unsere Sicht der Dinge. Die Krise ist so schlimm wie sie ist, weil wir in Nationalstaaten und im Kapitalismus leben. Diese beiden Faktoren gilt es aufzuzeigen und anzugreifen.
Der Staat ist und bleibt immer nur der Verwalter des Kapitalismus. Die Forderung an den Staat zu stellen, sich gegen die kapitalistische Ausbeutung zu stellen, wird nie Erfolg bringen.
Realpolitisch mag es Unterschiede darin geben welche Parteien uns regieren. Doch regiert werden wir immer. Solange Nationalstaaten existieren und wir im Kapitalismus leben, werden wir nicht gleichberechtigt leben und frei sein. Wir müssen unregierbar werden.
Wir wissen darum, dass wir den Kapitalismus nicht heute überwinden. ABER: Wir werden ihn definitiv nicht überwinden, wenn wir es nicht versuchen.

Wir als Arbeiter*innen und alle jene, die von diesem System ausgebeutet und unterdrückt werden, müssen uns zusammenschließen. Wir müssen uns in solidarischen Netzwerken organisieren und unsere Utopie leben. Jeden Tag, in jedem Moment. Ganz praktisch heißt das: Vonvovia enteignen, Nachbarschaften stärken, Dresden hat Platz, Informationen für alle und make the rich pay for the crisis – gegen die bestehenden Verhältnisse – bis alles allen gehört.

5&5 – Forderungen – Für Solidarität gegen Corona

Mit den 5&5-Forderungen griffen wir die Idee der Nachbar*inneninitiative aus Dresden Löbtau auf, die diese im ersten Lockdown formuliert hatten. Wir wollten mit dem Papier eine Mischung aus kurzfristigen Forderungen und langfristigen politischen Zielen in die Öffentlichkeit tragen.
Die Coronapandemie ist eine Ausnahmesituation, in der der gesellschaftliche Diskurs über staatliche und politische Maßnahmen geschwächt wurde und teilweise ganz zum Erliegen kam. Starke Akteur*innen – nicht nur der Staat – setzten und setzen sich mit ihren politischen und wirtschaftlichen Zielvorstellungen durch. Mittlerweile ist bekannt, dass die Maßnahmen des physical distancing weitreichende Folgen für die Digitalisierung haben werden. Am Beispiel des digitalen Unterrichts lässt sich zum Beispiel die Macht von Technologiekonzernen zeigen, die ihre Möglichkeiten nutzten, um Schulen ihre Cloud- und Onlinekonferenztools schmackhaft zu machen. Es ist also nicht nur der Staat, der in der Pandemie Maßnahmen ergreift und die eigenen Interessen durchsetzt.

Zivilgesellschaftliche Initiativen und politische Bewegungen hingegen sind vielfältig in ihrer Arbeit beschnitten – durch Eingriffe in die bürgerlichen Freiheiten, eigene Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit und auch durch Repression. Darum erschien und erscheint es uns wichtig, radikale Positionen in die Öffentlichkeit zu stellen, nach Möglichkeit so breitenwirksam wie möglich. Maulwurfsarbeit, um unsere Kämpfe nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Wir haben unsere Ideen als Forderungen formuliert, mit denen wir einen anderen Weg der Krisenbekämpfung beschreiben. „Sofort“ waren und sind Maßnahmen notwendig, die die Härten der Pandemie und ihrer Bekämpfung abfedern. Darunter zählen wir etwa Maßnahmen wie die sofortige dezentrale Unterbringung geflüchteter und wohnungsloser Menschen in Hotels und leerstehenden Neubauten. Gerade die Situation Wohnungsloser ist in diesem Pandemiewinter drastisch hervorgetreten. Während Hoteliers über leere Betten im Lockdown klagten, starben in Deutschland 23 Menschen an der Kälte. Und während diese Menschen keinen Ort fanden, an dem sie bleiben konnten, wurden Geflüchtete im Rahmen von Quarantänemaßnahmen immer wieder in ihren Lagern eingesperrt. Ihnen wurden Bewegungsfreiheit und Selbstbestimmung abgesprochen, wie es für die meisten Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit nie denkbar wäre – mit oder ohne Pandemie.

Desweiteren fordern wir einen sofortigen Stopp aller Zwangsräumungen und anderer Repressalien gegen Menschen, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Zahlreiche Menschen mussten Kurzarbeit und Hartz4 akzeptieren und stehen nun vor dem wirtschaftlichen Ruin. Dagegen sind Firmen, wie die Vonovia, nicht von der Pandemie betroffen, sondern auch noch in der Lage hohe Dividenden an ihre Aktionär*innen auszuzahlen.

Das bringt uns zum nächsten Punkt: der Verteilung der Krisenkosten. Die Reichtumsverteilung ist im Kapitalismus ein grundsätzliches Problem, an dem auch keine Vermögenssteuer etwas ändern wird. Doch ganz akut geht es um menschliche Existenzen und um diese zu sichern, fordern wir ein Coronagrundeinkommen für alle. Finanziert werden kann dies ohne Probleme durch die Besteuerung eben erwähnter Dividenden und Gehälter der Krisengewinner*innen: Wohnungskonzerne, Techunternehmen und gerne auch aus den zahlreichen erhobenen Coronabußgeldern.

Ein Grundeinkommen brächte noch weitere Vorteile mit sich: indem Menschen nicht mehr zwangsläufig auf ihre Arbeit angewiesen wären, könnten sie ganz leicht auf den Gang zur Arbeit verzichten und das könnte durchaus einen positiven Einfluss auf den Pandemieverlauf haben. Denn obwohl uns andauernd erzählt wird, die privaten sozialen Kontakte seien der Hauptgrund für die Ausbreitung des Virus, ist die Arbeit – die viel seltener im Home Office stattfindet als angenommen – ein ebenso großer Faktor. Ein Faktor, den alle Regierungen sich scheuen anzutasten. Die Wirtschaft läuft weiter. Vorgeblich, weil sie die Existenz der Menschen sichere – keine Arbeit, kein Lohn, so die einfache Gleichung. Doch diese Rechnung ist faul und geht nicht auf. Die Wirtschaft gehorcht eigenen Sachzwängen: sie kann nicht herunter gefahren werden, weil sie auf die ständige Anhäufung immer neuer Reichtümer angewiesen ist, um nicht zusammenzubrechen. Sie gehorcht nicht den menschlichen Bedürfnissen, sondern den Zwängen des Kapitalismus.

Die zahlreichen Härten, die die Pandemie mit sich gebracht hat, sind darum nicht einem pandemischen Ausnahmezustand geschuldet. Sie sind der Normalvollzug im Kapitalismus. Die himmelschreiende Ungerechtigkeit des grenzenlosen Reichtums auf der einen Seite und der elendsten Armut auf der anderen sind einfach ganz normal. Das eine gäbe es ohne das andere nicht. Damit wir alle reich sein können, brauchen wir eine Wirtschaft, die sich an den menschlichen Bedürfnissen orientiert. Auf dieses Ziel richten sich unsere Forderungen unter dem Titel „Gleich“.

Statt euch jetzt jedoch noch einmal die Forderungen einzeln vorzustellen, an dieser Stelle ein paar Worte zu ihrer Umsetzbarkeit: Sie sind es nicht. Aktuell sehen wir leider keine politische Kraft, die Gesundheitssyteme vergesellschaften, Konzerne enteignen und die Produktionsmittel in die Hände demokratisch gewählter Arbeiter*innenräte legen würde. Keine bundesrepublikanische Regierung würde jemals auf solche Gedanken kommen, wäre sie auch noch so durchsetzt mit linken Minister*innen. Auch wird keine öffentlich gestellte Forderung jemals zu einer Debatte führen, die Politiker*innen ernstlich zwingen könnte. Die politische und wirtschaftliche Überwindung des Kapitalismus werden wir nur mit einer wie auch immer gearteten politischen Bewegungen der Lohnabhängigen, Arbeitslosen, Schrägen, Queeren, POCs, Mieter*innen, Nachbar*innen, Hausarbeiter*innen und so weiter und sofort erreichen.
Doch die steht leider gerade nicht auf der Tagesordnung. Umso wichtiger finden wir die oben bereits angesprochene Maulwurfsarbeit. Bewegungen entstehen nur, weil sich auf der einen Seite Menschen anhand konkreter Probleme organisieren und beginnen die ganzen „Normalitäten“ der Ausbeutung, Diskriminierung, geistigen Armut und falschen Bedürfnisse in Frage zu stellen. Und auf der anderen Seite muss die Kritik der falschen kapitalistischen Normalität immer wieder öffentlich in Frage gestellt werden – Corona hin, Ausnahmezustand her.

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